Neue Nazis - Was tun?

 

Zehn Tipps für den Umgang mit Neonazis, rechten Drohungen und der NPD

Zugegeben, es gibt schönere Sachen, als sich mit Rechtsextremismus zu beschäftigen. Und, ja, Rechtsextremismus macht Angst. Aber weil Rechtsextremisten das friedliche Zusammenleben der Gesellschaft bedrohen, muss man sich mit ihnen beschäftigen. Aber wie?

1. Informieren – und selbst nachdenken
Am Anfang steht das Wort. Lesen Sie, nicht nur dieses Buch! Im Internet zum Beispiel gibt es ein riesiges Angebot an Informationen (aber nicht alle sind verlässlich); in diesem Abschnitt geben wir Ihnen deshalb zu jedem Punkt einige Empfehlungen.

Aber Informieren allein reicht nicht. Spätestens bei der ersten Konfrontation mit einem Neonazi rächt es sich, wenn man zuvor nicht gründlich nachgedacht hat: Was stört mich eigentlich an denen? Was unterscheidet deren Ideologie von demokratischen Ansichten? Was genau meinen die Neonazis, wenn sie von einer „Volksgemeinschaft“ reden? Warum ist eine offene Gesellschaft lebenswerter? Und überhaupt, wie erkennt man Neonazis heutzutage noch?

Wer lediglich sagt, er sei gegen Extremismus, egal ob von links oder rechts, der macht es sich zu einfach. Dieses Statement ist in den vergangenen Jahren sehr in Mode gekommen, aber es verharmlost und macht blind. Es spielt die Gefahr herunter, die vom Rechtsextremismus ausgeht. Praktisch jeden Tag nämlich werden in Deutschland Ausländer, Obdachlose oder Punks von rechten Schlägern überfallen, mindestens 149 Menschen kamen seit 1990 so zu Tode. Aber es ist sehr lange her, dass hierzulande ein Kapitalist oder sonst jemand von einem Linksextremisten ermordet wurde. Natürlich gibt es Linksextremisten, und auch sie begehen Straftaten. Aber gerade in Ostdeutschland muss man sie mit der Lupe suchen; Rechtsextremisten dagegen beherrschen vielerorts die Straßen.

Undifferenzierter Anti-Extremismus verstellt außerdem den Blick auf Ursachen des Rechtsextremismus und erfolgversprechende, konkrete Gegenstrategien. Er suggeriert, dass „das Böse“ an den Rändern des politischen Spektrums lauert. Rassismus, Antisemitismus und andere Einstellungen aber sind bis weit in die vermeintlich gute Mitte der Gesellschaft verbreitet.

Warum eigentlich ist die Demokratie besser? Ein Interview
Die Rechtsextremen sagen … Broschüre der Thüringen Landeszentrale für politische Bildung 
Wie rechtsextrem sind Sie selbst? Und die anderen? Ein Quiz
Buchtipp Christoph Möllers: Demokratie – Zumutungen und Versprechungen. Berlin 2008

2. Hinschauen und Neonazis erkennen
Insbesondere die Autonomen Nationalisten sind allein durch ihr Äußeres nur noch schwer zu identifizieren. Sie kopieren die Linken und benutzen gern Zahlencodes oder andere Symbole, die sich nur Eingeweihten erschließen. Man muss deshalb heute oft dreimal hinschauen, poppige Graffiti-Schrift und der Slogan „Fight Capitalism!“ werden längst auch von Neonazis verwendet.

Dadurch ist es zum Beispiel auch für Eltern schwieriger zu erkennen, wenn der Sohn oder die Tochter in die Szene abrutscht. Aber es ist nicht unmöglich. Achten Sie darauf, welche Musik ihr Kind hört, welche Kleidungsmarken es trägt welche Bücher oder Broschüren es liest – und checken Sie Titel und Namen mit Internetsuchmaschinen wie Google. Doch Sie sollten nicht die Privatsphäre ihres Kindes einschränken, das gilt auch für das Briefgeheimnis.

Falls Ihr Kind wirklich zum Neonazi wird, lassen sie (so lange es irgend geht) die Verbindung nicht abreißen. Diskutieren Sie ruhig und unaufgeregt über die Ideologie und Gegenargumente. Sprechen Sie sich mit (nichtrechten) Freunden, Lehrern und Verwandten ihres Kindes ab. Ein Ausstieg aus der Szene ist viel leichter, wenn es noch Kontakte nach außen gibt.

Zur Entschlüsselung rechtsextremer Codes und Symbole: www.dasversteckspiel.de
Thor Steinar – Hintergründe und Erklärungen
Eine Handreichung für betroffene Eltern

3. Nicht unter-, aber auch nicht überschätzen
Glauben Sie nicht, alle Neonazis seien dumm. Viele Aktivisten haben jahrelange Erfahrung und wissen gut, wie sie ihre Propaganda verpacken können. Die NPD hat disziplinierte Kader, eine klare Strategie und ein geschlossenes Weltbild. Und die Ideologie und die Identität, die Rechtsextremisten anzubieten haben, sind für etliche Menschen durchaus attraktiv: Man hat plötzlich für alle Probleme eine Erklärung, und Sündenböcke stehen bereit; man kann sich zudem als Teil einer Kampfgemeinschaft fühlen, die dem eigenen Leben einen höheren Sinn gibt.

Ein Gutteil der Neonazis ist aber doch dumm, und die ganze Weltanschauung schlicht falsch. Weil es der extremen Rechten in Deutschland an halbwegs fähigen Kadern fehlt und sie sich ständig zerstreitet, hat sie in den letzten Jahrzehnten relativ wenig zustande gebracht. Deshalb sollte man nie in Angststarre verfallen, wenn Rechtsextremisten irgendwo großspurige Ankündigungen machen. Und ihre völkische, rassistische Ideologie lässt sich, wenn man sich etwas genauer damit beschäftigt, ziemlich leicht zerlegen.

Wie man rechtsextremistische Propaganda entzaubert. Einige Beispiele
Buchtipp Holger Kulick/Toralf Staud: Das Buch gegen Nazis. Rechtsextremismus – Was man wissen muss, und wie man sich wehren kann. KiWi 2009, 12,95 Euro

4. Nicht einschüchtern lassen
Rechtsextremisten verbreiten Angst. Sie bedrohen Menschen, die anders aussehen, anders denken oder sich ihnen entgegenstellen. Wer darauf gefasst ist und richtig reagiert, wird am Ende der Stärkere sein. Tauchen plötzlich der eigene Name oder ein Foto auf einer rechtsextremen Internetseite auf, ist das Wichtigste, nicht in Panik zu verfallen. Stattdessen: Ruhe bewahren, tief Luft holen, mit anderen Menschen reden, mit Freunden, der Familie, Mitstreitern in der Initiative. Denn auch substanzlose Drohungen zerren an den Nerven. Erfahrungsgemäß bleibt es aber meist bei (virtuellen) Beschimpfungen, auch Briefe, E-Mails oder Anrufe sind in der Regel nur verbale Muskelspiele und Wichtigtuereien.

>> weiterlesen im Buch auf Seite 244

 
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